SMARKETING

Der Weg aus der Rivalität zwischen Marketing und Vertrieb

„Die T-Shirt Abteilung hat sich da mal wieder etwas einfallen lassen, was kein Mensch braucht!“, sagte der Vertriebsmitarbeiter. Ein Satz, der mir immer wieder symbolisch als Beispiel dafür einfällt, was eine Vertriebsabteilung häufig über die Kollegen der Marketingabteilung denkt.

Es gibt unzählige weitere Beispiele und täglich kommen mehr dazu. Auch solche der Marketingkollegen in Richtung Vertrieb: „Jetzt haben wir monatelang an dieser Broschüre gearbeitet und die Außendienstler arbeiten nicht damit?!“ Leider ist es in vielen Unternehmen üblich, dass Marketing und Vertrieb in Konflikt miteinander stehen, obwohl sie im Grunde das gleiche, grundlegende Ziel haben: mehr zu verkaufen.

Vertrieb und Marketing verkaufen beide?
Grundsätzlich und vereinfacht heruntergebrochen: ja.
Es besteht nur ein Unterschied in der Anzahl der Menschen, an die während der Kommunikation verkauft wird. Der Vertriebsmitarbeiter kommuniziert meistens mit dem Kunden persönlich – es ist eine 1:1 Situation. Marketing hingegen nutzt in der Kommunikation Mittel, die in der Regel viele Personen gleichzeitig ansprechen, um letztendlich einen Kauf anzuregen.

Der Konflikt schadet dem gesamten Unternehmen
Der Konflikt zwischen Marketing und Vertrieb, schadet dem Unternehmen in mehreren Beziehungen. Denn es kommunizieren beide nach außen an die gleichen Kunden:

Sowohl Marketing- als auch Vertriebsmaßnahmen fehlt es an Durchschlagskraft, denn die Maßnahmen werden nicht aufeinander abgestimmt und Kommunikationsmittel werden nicht eingesetzt, weil z. B. der Vertrieb mit einer Broschüre unzufrieden ist. Dadurch entstehen nicht nur unnötig Kosten, sondern es werden auch Arbeitsressourcen verschwendet
Die Leadgenerierung leidet, wenn sich beide Abteilungen nicht auf einen gemeinsamen Prozess und Tools einigen. Das führt zu schlechteren Ergebnissen bei der Neukundenakquise und nicht ausgeschöpftem Umsatzpotential
Das Arbeitsklima verschlechtert sich, denn die negativen Kommentare über die andere Abteilung oder die Projekte werden unweigerlich persönlich genommen und führen auch dazu, dass Mitar-beiter das Unternehmen verlassen
 

Was sind die Ursachen dieses Konflikts?
Die Gründe für den Konflikt können sehr unterschiedlich sein. Häufig ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren:

Strategie und Führung
Ist die Führung von Marketing und Sales nicht in einer Person vereint oder nicht unter einer Führungskraft, die die Kompetenz hat die Arbeitsweisen und Kulturen beider Seiten zu verstehen und sie zu vereinen, werden funktionale Strategien nicht aufeinander abgestimmt.

Je nach Geschäftsmodell und dem Hintergrund der Geschäftsführung dominiert häufig eine Abteilung die andere, wie z. B. der Vertrieb im Falle eines Herstellers technischer Produkte, der nur B2B-Kunden hat. In einer solchen Konstellation findet keine Begegnung auf Augenhöhe statt.

Häufig sind die Verantwortlichkeiten zwischen Marketing und Vertrieb nicht klar voneinander abgegrenzt und Entscheidungen werden über den Kopf der anderen Abteilung getroffen, obwohl diese in deren Bereich fällt.

Unterschiedliche Ziele und Bewertung
Vertrieb und Marketing haben unterschiedliche Aufgaben im Tagesgeschäft. Der Vertriebsmitarbeiter denkt kurzfristig, betreut die Kunden in direkter Kommunikation und versucht Abschlüsse zu machen. Marketing arbeitet in der Regel langfristiger und strategischer und ist bemüht, das Unternehmen, die Marke oder die Produkte zu positionieren und Kaufinteresse zu wecken.

Durch diese verschiedenen Ansätze unterscheiden sich auch KPIs und Zielvorgaben. Der Erfolg des Vertriebs wird am Umsatz und Ertrag gemessen. Für den Erfolg von Marketing werden Kennzahlen wie Bekanntheitsgrad und Reichweite als Ziele vorgegeben.

Des Weiteren herrscht ein Kampf um das Budget, bei dem beide Abteilungen in Konkurrenz stehen und bemüht sind, einen möglichst großen Anteil des Kuchens abzubekommen.

Fehlende Digitalisierung, vor allem im Lead Prozess
Häufig nutzen Marketing und Vertrieb verschiedene Daten und Systeme und kein einheitliches CRM für das Kundenmanagement. Selbst wenn eine CRM-Software zum Einsatz kommt, ist der Leadprozess häufig nicht klar definiert oder automatisiert, was dazu führt, dass die Qualität der Leads nicht ausreichend ist und diese dadurch nicht verfolgt werden können.

Mangelnde Kommunikation
Wenn Marketing und Vertrieb weder zusammenarbeiten noch sich gegenseitig informieren, findet keine Abstimmung statt, wie beispielsweise bei dem Timing der Kommunikation einer Produkteinführung. So kann es passieren, dass ein neues Produkt auf der Unternehmenswebseite erscheint, der Vertrieb aber nicht darüber informiert ist, dass die Produktneuheit veröffentlicht wurde und plötzlich Anrufe von Kunden erhält, die dieses neue Produkt anfragen.
Wenn darüber hinaus die Kommunikationsinhalte über das Produkt nicht abgestimmt und unterschiedliche Merkmale von den Vertriebsmitarbeitern und Marketing herausgestellt werden, dann führt das nicht nur zu Verwirrung und Frust im Unternehmen, sondern auch beim Kunden.

Menschentypen und Kultur
Typische Marketers und Sales Mitarbeiter sind unterschiedliche Persönlichkeitstypen. Vertriebsmitarbeiter sind in der Regel dominante Einzelkämpfer, extrovertiert und abschlussorientiert. Sie treffen gerne schnelle Entscheidungen und befassen sich nur ungern mit Details.
Marketingmitarbeiter sind dagegen eher introvertierte, kreative Menschen, die analytisch vorgehen und teamorientiert arbeiten. Sie denken und handeln strategischer und langfristiger.

Nicht zuletzt durch diese verschiedenen Persönlichkeitsmerkmale unterscheidet sich auch die Arbeitskultur und das Mindset beider Abteilungen teilweise deutlich. Der Vertrieb denkt und ist in erster Linie kundenorientiert und richtet den Blick stark nach außen. Vertriebler arbeiten zumeist alleine auf Reisen und haben sehr wenig persönlichen Kontakt untereinander beziehungsweise gemeinsame Projekte mit den Kollegen.

Die Marketingabteilung vereint viele Funktionen wie z .B. Social Media, Eventmanagement, PR und weitere, was einen intensiven Austausch und direkte Zusammenarbeit im Team erfordert, um zu Ergebnissen zu kommen. Der Blick ist eher nach innen gerichtet und produkt-, marken- und / oder unternehmensfokussiert.

Die Lösung
Einen schnellen Ausweg gibt es leider nicht. Für eine Auflösung des Konfliktes sind vielfältige Maßnahmen und ein umfangreicher Change Prozess nötig.

Gemeinsame strategische Ausrichtung & Erfolgsmessung
Als Basis der erfolgreichen Zusammenarbeit dient eine übergreifende Strategie, die auf der Unternehmensvision und -strategie basiert und klare, einheitliche Zielsetzungen formuliert.
Darauf aufbauend, können Marketing und Vertrieb KPIs gemeinsam aufbauen und sich dazu regelmäßig strategisch abstimmen. Dabei ist es auch wichtig, dass sowohl diese KPIs als auch ROIs transparent gemacht und als Team betrachtet werden.

Führung & Organisation
Die Führung beider Abteilungen sollte bei einer Person liegen, die es versteht beide zu vereinen und eine gemeinsame Marketing- & Sales-Kultur zu etablieren. Generell sollte von den Führungskräften eine Kultur der Offenheit und des Respekts vor der Arbeit des anderen vorgelebt und gefördert werden.
Job-Rotation Modelle haben sich auch als sehr effektiv bewiesen, wenn es darum geht die Arbeits- und Denkweise der anderen Abteilung besser zu verstehen. So lernt z. B. ein Vertriebsmitarbeiter, der für eine gewisse Zeit im Marketing arbeitet, die strategischere Sichtweise, die Sprache und die Zielsetzungen im Marketing besser zu verstehen.

Vertriebsmitarbeiter, die im Innendienst tätig sind und Außendienstler, die sich auch immer wieder im Büro aufhalten, sollten in räumlicher Nähe der Marketingabteilung sein. Ein regelmäßiger persönlicher Austausch im Flur oder an der Kaffeemaschine sowie das direkte Erleben des Tagesgeschäfts sind durch nichts zu ersetzen.

Digitalisierung & gemeinsame Tools
Die Digitalisierung bietet die Möglichkeit der Nutzung von gemeinsamen Tools und Datenbanken, was nicht zuletzt die Transparenz bei der Kommunikation deutlich erhöht. Das gilt insbesondere für die einheitliche Nutzung eines CRM-Systems, für das klare Vorgaben definiert werden müssen. Sollte noch keine CRM-Software im Einsatz sein, empfiehlt es sich eine für das Unternehmen passende Lösung zu finden. Dies ermöglicht eine weitestgehende Automation und Effizienz im gesamten Leadprozess.

Weitere Tools sind die gemeinsame Erarbeitung von Zielgruppen und Zielpersonas sowie des Sales Funnels und der Customer Journey. Neben einem deutlich besseren Verständnis für die Kunden, helfen diese bei einer klaren Abgrenzung, welche Abteilung in welcher Phase des Verkaufsprozesses für die Ansprache des Kunden verantwortlich ist.

Marktnähe und Teamwork
Der regelmäßige Informationsaustausch in gemeinsamen Meetings über Projekte und Planungen sollte genauso selbstverständlich sein, wie die Einbindung der Vertriebsmitarbeiter bei der Entwicklung von Kommunikationsmaterialien. Außendienstreisen von Marketers mit Vertriebskollegen sowie der direkte Kundenkontakt, z. B. zu Marketingmitarbeitern der Kunden, die bei Vermarktungsprojekten zusammenarbeiten können, hilft mehr Kunden- und Marktnähe sowie das Verständnis für die Arbeit des Anderen zu schaffen.

Die Etablierung von Marketing- und Vertriebsteams, die auf bestimmte Kundengruppen oder Segmente fokussiert sind, sorgen durch die Spezialisierung der Mitarbeiter für diese Segmente, für zielgerichtetere und durchschlagskräftigere Kommunikationsmittel.
Differenzen werden dennoch immer wieder entstehen. Diese sollten offen angesprochen, für konstruktive Auseinandersetzungen und als Basis für die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten dienen.

Trainings
Change Prozesse, wie eine neue Arbeitskultur und Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb zu etablieren, sollten immer einhergehen mit der Weiterentwicklung der Führungskräfte durch Seminare und Coachings. Vor allem die Themen rund um die Menschenkenntnis und das Konfliktmanagement können sich dabei als sehr hilfreich erweisen.
Weitere Bereiche wären beispielsweise Trainings der Marketingmitarbeiter in Bezug auf die Sensibilisierung bei der Kundenorientierung und das aktive Zuhören bei Gesprächen. Genauso zielführend wäre es, die Vertriebsmitarbeiter in Marketingthemen weiterzubilden, damit ein Grundverständnis für die Materie und die Begrifflichkeiten herrscht.

Und die Moral von der Geschicht‘? Einen leichten Ausweg gibt es nicht! Aber es gibt einen, der die Rivalität zwischen Marketing und Vertrieb löst und in ein produktives und effizientes Miteinander überführt. Das Ergebnis ist ein erfolgreicheres Unternehmen mit zufriedeneren Mitarbeitern, steigenden Umsätze und stärkeren Kundenbeziehungen.

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